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16.01.2019

Pressemitteilung: Selbsthilfegruppe Essstörungen bietet Angehörigen Austausch

Nr.: 113 vom 16.01.2019

(Schwarzwald-Baar-Kreis) „Muss ich das essen?“, fragt ihre Tochter sie oft. „Ja, du musst!“, Gabriele Wiest macht heute klare Ansagen. Dies musste sie aber erst lernen. Denn ihre 16-jährige Tochter erkrankte vor einigen Jahren an einer Essstörung. Ein Erlebnis im Landschulheim war für die damals Elfjährige der Einstieg in die Magersucht. Mitschüler mobbten sie. Sie sei pummelig und träge. Das wollte die damalige Sechstklässlerin nicht auf sich sitzen lassen und beschloss ab sofort Obstvegetarierin zu werden. „Ich musste hilflos zusehen, wie das Gewicht von Tag zu Tag weniger wurde“, erzählt die 52-Jährige. Innerhalb weniger Monate verlor ihre Tochter zwölf Kilogramm. „Die Kinderärztin meinte damals, sie hätte noch zu viel Gewicht, um sie in eine Klinik einzuweisen. Ich habe mich total alleingelassen gefühlt. Zum Schluss hatte sie nur noch 38 Kilogramm bei einer Größe von 160 Zentimetern“, so die Mutter. Inzwischen geht es ihrer Tochter wieder besser, wahrscheinlich wird die Essstörung aber immer ein Teil von ihr bleiben. Vor rund einem Jahr hat sie mit Unterstützung der Selbsthilfekontaktstelle des Schwarzwald-Baar-Kreises und der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg eine Selbsthilfegruppe gegründet. „Wenn sich bei Eltern schleichend die Erkenntnis einstellt, dass das Kind eine Essstörung hat, ist das erstmal ein Schock“, weiß Stefanie Kaiser von der Selbsthilfekontaktstelle des Landratsamtes. „Oft ist man zunächst überfordert. Kaum mehr etwas zu essen, wie bei der Magersucht oder sich vollzustopfen und danach zu erbrechen, wie bei der Bulimie, sind sehr drastische und gefährliche Erkrankungen.“ Das bestätigt Lisa Hezel von der Kontakt- und Informationsstelle für gesundheitsbezogene Selbsthilfe der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg (KIGS): „Man weiß nicht, wie man richtig reagieren soll. Hinzu kommen Schuldgefühle, was man als Eltern falsch gemacht haben könnte. Dabei werden Essstörungen durch eine ganze Reihe von Faktoren ausgelöst, die bei anderen vielleicht zu ganz anderen Symptomen führen könnten“, so die Sozialpädagogin. Die Selbsthilfe kann neben einer professionellen Therapie ein wichtiger Baustein für eine umfassende Besserung der Situation sein. „Die Gruppe ist eine wichtige Hilfe für uns. Wir tauschen uns untereinander aus, wie wir mit der ganzen Situation umgehen. Es ist einfach gut, wenn man bei diesem Thema nicht alleine steht“, sagt Gabriele Wiest.

Gabriele Wiest Quelle AOK
Gabriele Wiest lädt Angehörige von betroffenen zur Selbsthilfegruppe Essstörungen ein.
Quelle AOK

Laut einer aktuellen AOK-Auswertung waren im Jahr 2017 im Schwarzwald-Baar-Kreis 292 Versicherte wegen einer Essstörung in ärztlicher Behandlung, davon 74 Personen wegen Anorexie, also Magersucht. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung waren das nach AOK Angaben rund 630 beziehungsweise rund 160 Betroffene im Schwarzwald-Baar-Kreis. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Gesamtzahl der Betroffenen um sechs Prozent erhöht. Gerne nimmt die Selbsthilfegruppe „Cinderella“ weitere Mitglieder auf. Die Gruppe trifft sich regelmäßig in Villingen-Schwenningen.

Weitere Informationen gibt es bei der Selbsthilfekontaktstelle, bei der Kontakt- und Informationsstelle der AOK oder bei der Leiterin der Selbsthilfegruppe, Mail: gabriele.wiest@gmail.com.

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